Co-Occurrence: Wie du ohne einen einzigen Link zur digitalen Autorität wirst

Ich erinnere mich an einen Kunden, der besessen von Backlinks war. Hunderte Stunden, tausende Euros – alles für den perfekten Link. Doch seine wirkliche Autorität wuchs an einem Ort, den er komplett ignorierte: in den Sätzen auf anderen Websites, in denen seine Marke einfach nur genannt wurde. Ohne Link. Ohne klickbaren Ankertext.

Wir jagten jahrelang einem Signal hinterher, das immer mehr an Bedeutung verliert, und haben dabei übersehen, was Maschinen wie Google oder ChatGPT heute wirklich als Beweis für Relevanz werten: thematische Nähe.

Willkommen in der Welt der Co-Occurrence, in der nicht mehr zählt, wer auf dich verlinkt, sondern wer im selben Atemzug mit dir genannt wird.

Was ist Co-Occurrence und warum ist sie wichtiger als ein Backlink?

Stell dir vor, du liest in drei verschiedenen, angesehenen Finanzmagazinen einen Artikel über „innovative Anlagestrategien“. In jedem dieser Artikel wird neben etablierten Größen wie Warren Buffett auch immer wieder ein Name genannt: „Max Mustermann“. Es gibt keinen Link zu seiner Website, nur seinen Namen.

Was passiert in deinem Kopf? Du verbindest „Max Mustermann“ unweigerlich mit „innovativen Anlagestrategien“. Er wird für dich zur Autorität auf diesem Gebiet.

Genau das Gleiche passiert im „Gehirn“ einer KI.

Co-Occurrence (deutsch: gemeinsames Auftreten) beschreibt das Phänomen, wenn zwei oder mehr Entitäten – also klar definierte Konzepte wie Marken, Personen oder Themen – wiederholt im selben Kontext auf verschiedenen, vertrauenswürdigen Webseiten erwähnt werden.

Systeme wie Google nutzen seit der Einführung des Knowledge Graph 2012 genau solche Muster, um die Beziehung zwischen Dingen zu verstehen. Patente wie „Ranking based on entity metrics“ belegen, dass nicht der Link selbst, sondern die dahinterliegende Entität und ihre Verbindungen bewertet werden.

Moderne Sprachmodelle wie BERT oder Gemini gehen noch einen Schritt weiter. Sie analysieren mit Natural Language Processing (NLP) nicht nur, dass deine Marke erwähnt wird, sondern auch wie. Die Nähe (Proximity) der Wörter spielt eine entscheidende Rolle: Steht deine Marke direkt neben dem Begriff „Marktführer für Cybersicherheit“, ist das ein unendlich stärkeres Signal, als wenn die beiden Begriffe nur im selben Dokument vorkommen.

Eine Erwähnung deiner Marke in einem relevanten, autoritativen Kontext ist für eine KI ein „implied link“ – ein impliziter Link. Es ist ein redaktionelles Votum, das oft ehrlicher und wertvoller ist als ein künstlich gesetzter Backlink. Die Maschine versteht: Wenn Experten über Thema X sprechen, gehört Marke Y zur Konversation.

Der fundamentale Shift: Von der Link- zur Reputations-Ökonomie

Der klassische Linkaufbau war ein Spiel, das man gewinnen konnte. Mit genug Budget und den richtigen Taktiken ließ sich die Autorität einer Seite künstlich aufblähen. Dieses Spiel ist vorbei.

Warum? Weil die neuen Gatekeeper des Internets – KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity oder die Google AI Overviews – nicht mehr primär Webseiten ranken, sondern Antworten synthetisieren. Sie durchforsten das Netz nach Informationen und bewerten deren Glaubwürdigkeit. Eine hohe Anzahl an Links ist dabei nur ein schwaches Indiz, eine hohe Frequenz an Nennungen im richtigen Kontext hingegen ein starker Beweis für Relevanz.

Das verändert unsere Strategie von Grund auf. Es geht nicht mehr darum, einen Link von einer starken Domain zu bekommen. Unser Ziel muss es sein, Teil der maßgeblichen Konversation zu unserem Thema zu werden. Wir optimieren nicht länger für einen Verweis, sondern für die Erwähnung.

Diese neue Welt belohnt echtes Fachwissen und bestraft Manipulation. Du kannst keine Co-Occurrence kaufen. Du musst sie dir verdienen, indem du so relevant bist, dass andere über dich sprechen müssen, wenn sie dein Thema behandeln. Das ist der Übergang von klassischem SEO zu echter KI-Sichtbarkeit.

Die Co-Occurrence-Strategie: Wie du Erwähnungen gezielt erzeugst

Wie baut man also Autorität durch Nennungen auf? Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der es für andere logisch und notwendig wird, deine Marke zu erwähnen.

1. Definiere deine Kern-Entitäten messerscharf

Damit du erwähnt werden kannst, muss eine KI zuerst verstehen, wer oder was du bist. Was sind Entitäten? Sie sind die Bausteine deiner digitalen Identität.

Deine Marke: Ist sie klar als Entität definiert (z.B. durch ein Google Business Profile, strukturierte Daten auf deiner Website)?

Deine Themen: Mit welchen 3-5 Konzepten soll deine Marke untrennbar verbunden werden? (z.B. „mehrklicks.de“ mit „KI-Sichtbarkeit“, „Entitäten-Architektur“).

Deine Personen: Welche Experten oder Gründer repräsentieren deine Marke?

Diese Definition ist die Grundlage für alles Weitere.

2. Erstelle „zitierfähige“ Assets

Gib Journalisten, Bloggern und Experten einen Grund, dich zu erwähnen. Reine Werbeinhalte werden ignoriert. Was stattdessen funktioniert:

  • Originäre Daten & Studien: Führe eine eigene Umfrage durch, analysiere einen einzigartigen Datensatz. Zahlen und Fakten sind extrem zitierfähig.

  • Provokante Thesen & Frameworks: Entwickle ein eigenes Modell oder eine starke Meinung zu einem Branchenthema. Menschen lieben es, Meinungen zu zitieren – auch wenn sie nicht zustimmen.

  • Definitionen & Erklärungen: Sei die beste Quelle, um einen komplexen Begriff in deiner Branche zu erklären.

3. Digitale PR statt Linkbuilding

Verschiebe dein Mindset (und Budget) von Link-Brokern zu echter PR. Das Ziel einer Pressemitteilung oder Kooperation ist nicht mehr der a-Tag, sondern die redaktionelle Einbettung deiner Marke in eine relevante Story.

  • Experten-Kommentare: Biete dich als Experte für Kommentare zu aktuellen Nachrichten in deiner Branche an.

  • Gastauftritte in Podcasts & Webinaren: Hier findet Co-Occurrence in gesprochener Form statt – und wird von Maschinen transkribiert und verstanden.

  • Partnerschaften mit Meinungsführern: Arbeite mit Menschen, die bereits eine hohe Autorität in deinem Themenfeld haben. Eine Nennung durch sie überträgt einen Teil dieser Autorität.

4. Baue dein semantisches Netzwerk auf

Stärke die Verbindungen deiner Entitäten auf deinen eigenen Kanälen. Jede Erwähnung deiner Kernthemen auf deiner Website, in deinem Blog oder auf deinen Social-Media-Profilen sollte klar mit deiner Marke verknüpft sein. Den technischen Grundstein dafür legst du am besten mit dem Aufbau eines eigenen Knowledge Graph, in dem all diese Beziehungen klar definiert sind.

Diese Strategie ist anspruchsvoller als der Kauf von Links. Sie erfordert echte Expertise und Geduld. Doch das Ergebnis ist nicht nur ein besseres Ranking, sondern echte, unanfechtbare Autorität, die von Mensch und Maschine gleichermaßen anerkannt wird.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Sind Backlinks also komplett wertlos?

Nein, auf keinen Fall. Ein guter, relevanter Backlink von einer autoritativen Seite ist immer noch ein starkes Signal, besonders für Traffic und die Entdeckung neuer Inhalte. Aber er ist nicht mehr das einzige oder wichtigste Signal. Co-Occurrence und Nennungen ohne Link sind eine mindestens ebenso wichtige Ebene, die die Glaubwürdigkeit kontextuell untermauert.

Wie kann ich Co-Occurrence messen?

Die direkte Messung ist schwierig, denn es gibt keinen einfachen Zähler wie bei Backlinks. Du kannst sie aber auf indirektem Weg verfolgen:

  • Brand-Monitoring-Tools: Setze Alerts für deinen Markennamen in Kombination mit deinen Kernthemen auf (z.B. mit Google Alerts, Brand24).

  • Analyse der SERPs: Wenn du nach deinen Kernthemen googelst, taucht deine Marke in den Ergebnissen, bei „Ähnliche Fragen“ oder in den KI-Zusammenfassungen auf? Das ist ein Indikator für eine starke Assoziation.

  • Beobachtung der Konkurrenz: Wo und in welchem Kontext werden deine Wettbewerber erwähnt?

Ist das nicht einfach nur gutes Branding?

Ja und nein. Es ist die technische Manifestation von gutem Branding. Gutes Branding sorgt dafür, dass Menschen deine Marke mit bestimmten Themen verbinden. Eine Co-Occurrence-Strategie stellt sicher, dass auch Maschinen diese Verbindung herstellen und als Faktenbasis für ihre Antworten nutzen. Es ist maschinenlesbares Branding.

Wo fange ich am besten an?

Ganz einfach:

  1. Definiere die eine, wichtigste Entität (Thema), mit der deine Marke in den nächsten 12 Monaten assoziiert werden soll.

  2. Erstelle ein herausragendes „zitierfähiges“ Asset zu diesem Thema (z.B. einen detaillierten Report mit neuen Daten).

  3. Finde die 10 wichtigsten Stimmen (Journalisten, Podcaster, Blogger) zu diesem Thema und tritt mit ihnen in einen echten Dialog. Ziel ist die Erwähnung, nicht der Link.

Dein nächster Schritt

Das Verständnis von Co-Occurrence ist der erste Schritt weg vom alten SEO-Denken und hin zu einer zukunftssicheren Strategie für Sichtbarkeit. Es geht nicht mehr darum, Algorithmen auszutricksen. Es geht darum, ihnen durch klare, konsistente und glaubwürdige Signale beizubringen, wofür du stehst. Deine Autorität wird nicht mehr geklickt, sie wird verstanden.