Der unterschätzte Hebel: Wie wir mit einem internen Glossar die KI-Sichtbarkeit eines Software-Anbieters verdoppelt haben

Ich erinnere mich genau an den Call mit dem Software-Anbieter: führend in seiner Nische, solide Google-Rankings und ein Marketing-Team, das alles richtig zu machen schien. Und doch gab es diese eine, frustrierende Beobachtung des CEOs: Wenn ich ChatGPT oder Perplexity nach unseren Kernthemen frage, tauchen wir einfach nicht auf. Es ist, als würden wir nicht existieren.

Er hatte recht. Sie waren zwar für Suchmaschinen optimiert, aber für KI-Systeme unsichtbar. Ihr gesamtes Fachwissen, die jahrelange Expertise, war gefangen in Blogartikeln und Whitepapern, die von den neuen Empfehlungsmaschinen ignoriert wurden. Die naheliegende Reaktion wäre gewesen, noch mehr Content zu produzieren, noch mehr Keywords zu jagen. Wir taten das Gegenteil: Wir hörten auf, Content zu schreiben, und begannen, eine Wissensarchitektur zu bauen. Das Fundament? Ein einfaches, aber semantisch aufgeladenes Glossar.

Diese eine Maßnahme hat nicht nur ihre Sichtbarkeit in KI-Systemen verdoppelt, sondern das Unternehmen zur definierenden Autorität seiner Branche gemacht.

Das Problem: Maschinen verstehen deine Sprache nicht

Viele Unternehmen glauben, es reiche, wenn Menschen ihre Inhalte verstehen. Ein fataler Trugschluss im Zeitalter der KI. Systeme wie Google SGE (Search Generative Experience) oder ChatGPT lesen keine Webseiten – sie konsumieren und interpretieren strukturierte Daten, um eigene Antworten zu generieren. Dabei suchen sie gezielt nach Fakten, Definitionen und Beziehungen zwischen Konzepten.

Das Problem unseres Kunden: Er schrieb zwar über seine Fachthemen, definierte sie aber nie explizit für Maschinen. Seine Website war eine Sammlung von Dokumenten, aber keine vernetzte Wissensdatenbank. Für eine KI war das so, als würde man einem Roboter ein Fachbuch ohne Inhaltsverzeichnis und Wörterbuch in die Hand drücken: Er kann zwar die Buchstaben lesen, aber er versteht den Kontext nicht.

In der KI-Sichtbarkeit geht es nicht darum, für einen Suchbegriff zu ranken. Es geht darum, als die maßgebliche Quelle für ein Konzept anerkannt zu werden. Wenn du nicht als Entität existierst, also als klares, maschinenlesbares Konzept, bist du für eine KI nur Rauschen. Eine Studie von Authoritas zeigt, dass bereits 61 % der Suchergebnisse in den USA von Googles SGE beeinflusst werden. Die Zeit, in der man dieses Thema ignorieren konnte, ist endgültig vorbei.

Die Lösung: Werde zum Wörterbuch deiner Branche

Statt noch einen Blogartikel zu schreiben, der im Informationsmeer untergeht, wählten wir einen radikalen Schritt: Wir inventarisierten die Kernbegriffe des Unternehmens – die 50 wichtigsten Konzepte, die ihre Software, ihre Methode und ihren Markt definieren.

Daraus entstand ein Glossar. Aber nicht irgendeins. Wir konzipierten eine semantische Architektur, in der jeder Eintrag zu einer eigenen kleinen Wissenszentrale wurde.

Schritt 1: Radikal einfache Definitionen

Kein Marketing-Sprech, keine blumigen Umschreibungen. Jeder Begriff wurde so erklärt, als würde man ihn einem intelligenten Kollegen beim Kaffee erklären: kurz, präzise und auf den Punkt. KI-Systeme lieben Eindeutigkeit. Sie suchen nach der klarsten und verlässlichsten Definition, um ihre eigenen Antworten zu formulieren.

Schritt 2: Semantische Vernetzung

Das war der entscheidende Hebel. Jeder Glossareintrag wurde nicht als isolierte Seite behandelt, sondern als Knotenpunkt in einem Netzwerk.

Interne Verlinkung: Der Begriff „Data Pipeline“ wurde nicht nur definiert, sondern auch mit den Einträgen „ETL-Prozess“, „Data Warehouse“ und „API-Schnittstelle“ innerhalb des Glossars verlinkt.

Kontextuelle Links: Von der Glossar-Definition aus haben wir auf die relevantesten Blogartikel, Case Studies und Produktseiten verlinkt, die diesen Begriff in der Praxis zeigen.

So entstand eine semantische Architektur, die Maschinen nicht nur verdeutlichte, was ein Begriff bedeutet, sondern auch, in welchem Zusammenhang er steht und welche Relevanz er für das Unternehmen hat. Strukturiertes Wissen aus dem Glossar speist direkt den Knowledge Graph von Google und die Wissensbasen anderer KIs. Diese Systeme nutzen deine Definitionen dann als vertrauenswürdige Quelle für ihre eigenen Antworten und zitieren dich. Du wirst vom Content-Produzenten zum Wissens-Lieferanten.

Schritt 3: Die technische Übersetzung für Maschinen (Schema Markup)

Der letzte und entscheidende Schritt war es, diese logische Struktur für Maschinen unmissverständlich zu machen. Wir zeichneten jeden Glossareintrag mit strukturierten Daten aus, genauer gesagt mit dem DefinedTerm Schema von Schema.org.

Das ist im Grunde ein digitaler Beipackzettel für deine Inhalte. Du sagst Google und Co. explizit: den Namen des Begriffs (name), seine offizielle Definition (description) und die Verknüpfung zu Autoritätsquellen wie Wikipedia (sameAs), falls zutreffend.

Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern saubere, technische Kommunikation mit den Maschinen, die über deine Sichtbarkeit entscheiden.

Das Ergebnis: Von Unsichtbarkeit zu digitaler Autorität

Die Ergebnisse waren beeindruckend und kamen schneller als erwartet.

  1. Dominanz in KI-Antworten: Innerhalb von drei Monaten tauchten die Definitionen des Kunden in den Antworten von ChatGPT, Perplexity und Google SGE als Quelle auf. Sie hatten es geschafft, ihre Expertise direkt in die Wissensmodelle der KI einzuspeisen.

  2. Verdopplung der organischen Sichtbarkeit für Kernthemen: Weil Google die Expertise des Unternehmens nun auf fundamentaler Ebene verstand, stiegen auch die Rankings für kommerziell relevante Suchanfragen. Das Glossar diente als Autoritätsanker für die gesamte Domain.

  3. Etablierung als Branchenstandard: Plötzlich zitierten Konkurrenten, Fachportale und sogar Universitäten die Definitionen aus dem Glossar. Das Unternehmen definierte nicht mehr nur seine Produkte, sondern die Sprache seiner gesamten Branche.

Der größte Lerneffekt für mich war: Im Zeitalter der KI gewinnt nicht, wer am lautesten schreit (mehr Content), sondern wer am klarsten definiert (mehr Struktur). Dein Fachwissen ist wertlos, wenn es nicht maschinenlesbar ist. Ein semantisch optimiertes Glossar ist kein „Nice-to-have“ mehr – es ist das Fundament für Relevanz und Autorität in einer Welt, die von Empfehlungsalgorithmen gesteuert wird.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist der Unterschied zwischen einem Glossar und einer einfachen FAQ-Seite?

Eine FAQ-Seite beantwortet konkrete Nutzerfragen (z. B. „Wie kündige ich mein Abo?“). Ein semantisches Glossar hingegen definiert die fundamentalen Konzepte und Entitäten deines Fachgebiets (z. B. „Was ist ein ETL-Prozess?“).

Der Fokus liegt auf dem Aufbau einer strukturierten Wissensbasis für Mensch und Maschine, nicht auf der Beantwortung von Support-Anfragen.

Wie viele Begriffe braucht ein Glossar, um effektiv zu sein?

Qualität geht vor Quantität. Beginne mit den 10–20 wichtigsten Begriffen, die dein Geschäftsmodell, deine Produkte und deinen Markt definieren. Das sind die Konzepte, für die du als absolute Autorität wahrgenommen werden willst. Von dort aus kannst du dein Glossar schrittweise erweitern.

Kann ich einfach Definitionen von Wikipedia kopieren?

Auf keinen Fall. Das Ziel ist es, deine einzigartige Perspektive und Expertise zu zeigen. Eine kopierte Definition macht dich zu einem Echo, nicht zu einer Quelle. Formuliere eigene, präzise Definitionen, die auf deiner Erfahrung basieren. Genau das stufen KI-Systeme als wertvoll ein.

Ist ein Glossar nur für technische B2B-Unternehmen sinnvoll?

Nein, denn jede Branche hat ihre eigene Fachsprache – von der Finanzberatung („Was ist ein ETF?“) über das Handwerk („Was ist eine Dampfsperre?“) bis zum E-Commerce („Was ist Dropshipping?“). Wenn es in deiner Branche Begriffe gibt, die Kunden verstehen müssen, um eine Kaufentscheidung zu treffen, ist ein Glossar ein extrem starker Hebel.

Nächste Schritte: Vom Wissen zur Architektur

Die Erkenntnis, dass ein Glossar mehr als nur eine Wortliste ist, ist der erste Schritt. Der nächste besteht darin, die gesamte Website als vernetztes Wissenssystem für KI zu strukturieren.

Hör auf, in isolierten Blogartikeln zu denken. Fange an, in Entitäten, Beziehungen und semantischen Architekturen zu planen. Denn wenn du deine Begriffe nicht selbst definierst, wird es bald eine KI tun – und sie wird mit Sicherheit nicht auf deine Website verlinken.