Fakten schlagen Prosa: Mein A/B-Test beweist, warum KI strukturierte Daten liebt
Ich erinnere mich an ein Meeting vor etwa einem Jahr. Wir diskutierten über den ‚perfekten‘ Artikel. Das Marketing-Team plädierte für emotionales Storytelling, bildhafte Sprache und eine fesselnde Erzählung. Die SEO-Abteilung konterte mit Keywords, Lesbarkeitsscores und semantischer Dichte.
Aus ihrer jeweiligen Welt betrachtet, hatten beide recht. Doch sie übersahen beide, wer inzwischen zum wichtigsten Leser von allen geworden ist: die Maschine.
Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Wenn KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity und Gemini die neuen Gatekeeper für Informationen sind, müssen wir dann nicht fundamental anders über Content nachdenken? Ich beschloss, es herauszufinden – nicht mit einer Theorie, sondern mit einem knallharten Experiment. Einem A/B-Test, der diese Frage ein für alle Mal klären sollte: Was bevorzugt eine KI – eine gute Geschichte oder eine kalte, harte Faktentabelle?
Das Ergebnis hat die Art und Weise, wie ich heute Content-Architekturen baue, für immer verändert.
Das Experiment: Prosa vs. Faktenblatt
Um eine faire und saubere Testumgebung zu schaffen, habe ich zwei Artikel zum exakt gleichen Thema erstellt. Das Thema war bewusst datenintensiv und neutral: ‚Die größten Staudammprojekte des 20. Jahrhunderts‘.
Artikel A: Der Erzähler (Prosa)
Dieser Artikel war klassisches Content-Marketing. Er begann mit einer bildhaften Beschreibung der Ingenieurskunst, erzählte die Geschichte hinter dem Hoover-Staudamm und beschrieb die gewaltigen Wassermassen sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen. Die Fakten – Höhe, Bauzeit, Kosten, Leistung – waren in den Fließtext eingewoben, verpackt in lange, beschreibende Sätze. Ein Text, wie für einen menschlichen Leser gemacht, der in eine Geschichte eintauchen will.
Artikel B: Der Archivar (Strukturierte Daten)
Dieser Artikel war das genaue Gegenteil. Er hatte eine kurze, sachliche Einleitung und präsentierte dann die Kerninformationen in ihrer reinsten Form:
- Eine nummerierte Liste der 10 größten Staudammprojekte.
- Eine Tabelle mit den Spalten: Name des Damms, Land, Baujahr, Höhe (in m), Gestautes Volumen (in Mrd. m³), Leistung (in MW).
- Prägnante Bullet Points zu den wichtigsten technischen Herausforderungen.
Beide Artikel enthielten exakt dieselben Informationen. Der einzige Unterschied lag im Format. Ich veröffentlichte sie am selben Tag auf zwei vergleichbaren Domains und wartete ab.
Die Ergebnisse: Eine brutale Lektion in maschineller Effizienz
Nach einer Indexierungs- und Analysephase von vier Wochen begann ich, verschiedene KI-Modelle (ChatGPT-4, Perplexity, Gemini) mit Fragen zu füttern, deren Antworten in beiden Artikeln zu finden waren. Fragen wie:
- ‚Liste die fünf größten Staudämme des 20. Jahrhunderts mit ihrer Höhe.‘
- ‚Welcher Staudamm in den USA wurde in den 1930er Jahren gebaut und wie hoch ist er?‘
- ‚Vergleiche die Leistung des Assuan-Staudamms mit dem der Grande Dixence.‘
Das Ergebnis war nicht nur eindeutig. Es war eine Demütigung für den ‚Erzähler‘.
(Bild: Eine Vergleichstabelle, die zeigt, wie oft Artikel A (Prosa) vs. Artikel B (Fakten) von KI-Modellen zitiert wurde)
Artikel B, das strukturierte Faktenblatt, wurde in über 80 % der Fälle als primäre Quelle für die generierten Antworten herangezogen und zitiert. Artikel A wurde nur sporadisch erwähnt, meist dann, wenn die KI eine allgemeinere, beschreibende Antwort formulierte. Sobald es aber um konkrete Datenpunkte ging, gewann die Struktur. Immer.
Die Analyse: Warum Maschinen Fakten lieben (und Prosa nur tolerieren)
Das Ergebnis scheint auf den ersten Blick überraschend, ist aber bei genauerem Hinsehen absolut logisch. KI-Modelle ‚lesen‘ nicht wie wir. Sie verarbeiten. Und für diesen Prozess sind Unklarheiten und schmückendes Beiwerk pures Gift. Wie die Forschung und meine eigenen Beobachtungen zeigen, gibt es dafür vier Hauptgründe:
1. Eindeutigkeit schlägt Interpretation
In Prosa ist ein Satz wie ‚Der mächtige Hoover-Damm, ein Wunder der Technik, ragt beeindruckende 221 Meter in den Himmel‘ für eine Maschine voller Rauschen. Die Kerninformationen sind ‚Hoover-Damm‘ und ‚221 Meter‘. Der Rest ist Kontext, der interpretiert werden muss. In einer Tabelle steht in der Zeile ‚Hoover-Damm‘ und der Spalte ‚Höhe (m)‘ einfach nur 221. Das ist eine unmissverständliche, atomare Tatsache. Ein Prinzip, das auch Studien zum Prompt Engineering bestätigen: Die Bereitstellung von Daten in einem strukturierten Format verbessert die faktische Genauigkeit der KI-Ausgabe, da die Notwendigkeit zur Interpretation entfällt.
2. Effizienz bei der Verarbeitung
Sprachmodelle arbeiten mit sogenannten Tokens – kleinen Texteinheiten. Ein langer, erzählerischer Satz verbraucht viele Tokens, um eine einzige Information zu vermitteln. Eine Tabelle oder eine Liste liefert maximale Informationsdichte bei minimalem Token-Verbrauch. Die Maschine kann die Datenpunkte schneller und mit weniger Rechenaufwand extrahieren und verknüpfen. Fakten in Reinform sind für eine KI ressourcenschonender und damit schlichtweg effizienter.
3. Leichtere Erkennung von Entitäten
Für die moderne KI-Sichtbarkeit geht es nicht mehr um Keywords, sondern um Entitäten – also klar definierte Objekte wie Personen, Orte oder eben Staudämme mit ihren spezifischen Eigenschaften. In einer Tabelle erkennt die KI sofort, dass ‚Assuan-Staudamm‘, ‚Ägypten‘, ‚1970‘ und ‚2.100 MW‘ zusammengehören und eine einzige Entität mit ihren Attributen beschreiben. Im Fließtext muss sie diese Verbindung erst mühsam herstellen – und das ist deutlich fehleranfälliger.
4. Höhere wahrgenommene Glaubwürdigkeit
Obwohl eine KI keine Emotionen hat, ist sie darauf trainiert, Muster zu erkennen, die auf Glaubwürdigkeit hindeuten. Klare, quantifizierbare Daten, Zahlen und Fakten in Tabellen und Listen wirken ‚autoritativer‘ als blumige Beschreibungen. Die Maschine lernt: Wo Daten strukturiert sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um verifizierbare Fakten handelt.
Das Learning: Baue hybride Content-Systeme
Heißt das, wir sollten Storytelling und Prosa beerdigen? Auf keinen Fall. Menschen wollen und brauchen Geschichten, um eine Verbindung zu einer Marke aufzubauen. Aber um in der Ära der KI-Gatekeeper sichtbar zu sein, müssen wir unsere Inhalte als hybride Systeme begreifen.
Die Lösung ist ein zweistufiger Ansatz:
- Fessle den Menschen: Nutze eine starke Einleitung, eine persönliche Geschichte oder eine provokante These, um den menschlichen Leser emotional abzuholen und Neugier zu wecken.
- Füttere die Maschine: Präsentiere die Kerninformationen, die Daten und Fakten, so strukturiert und maschinenlesbar wie möglich. Nutze Tabellen, Listen, Key-Value-Paare und präzise Datenpunkte.
Ein perfekter Artikel spricht also zwei Sprachen: Er erzählt dem Menschen eine Geschichte und liefert der Maschine gleichzeitig einen sauberen Datensatz.
(Bild: Eine Infografik, die den Aufbau eines hybriden Artikels zeigt – narrativer Einstieg, gefolgt von strukturierten Datenblöcken)
Wenn du deine Inhalte so aufbaust, optimierst du nicht mehr nur für einen Leser, sondern für das gesamte Ökosystem aus Mensch und Maschine. Das ist die Essenz moderner Content-Architektur.
FAQ – Eure häufigsten Fragen
Muss ich jetzt nur noch Listen und Tabellen schreiben?
Nein, auf keinen Fall. Reine Faktensammlungen ohne Kontext und Erzählung bauen kein Markenvertrauen auf. Der Schlüssel liegt im hybriden Ansatz: Kombiniere eine fesselnde Erzählung für den Menschen mit sauber strukturierten Daten für die Maschine im selben Artikel.
Gilt diese Logik auch für die Google-Suche?
Absolut. Google ist längst keine reine Suchmaschine mehr, sondern eine Antwortmaschine, die auf dem Verständnis von Entitäten basiert. Strukturierte Elemente wie Tabellen und Listen haben eine deutlich höhere Chance, in Featured Snippets, ‚People Also Ask‘-Boxen und anderen KI-gestützten SERP-Features zu erscheinen. Du optimierst also für beide Welten.
Für welche Art von Inhalten ist dieser Ansatz besonders wichtig?
Er ist überall dort entscheidend, wo es um harte Fakten geht: Produktvergleiche, technische Spezifikationen, historische Daten, wissenschaftliche Ergebnisse, Anleitungen, Preislisten, Standortverzeichnisse oder statistische Auswertungen. Je datengetriebener dein Thema, desto wichtiger die Struktur.
Ist emotionales Storytelling also tot?
Nein, es ist wichtiger denn je, aber seine Rolle verändert sich. Storytelling hat die Aufgabe, Vertrauen aufzubauen, die Marke zu positionieren und den Leser emotional zu binden. Es ist aber nicht mehr das primäre Vehikel, um reine Fakten an eine KI zu transportieren. Die Geschichte ist der Rahmen, die strukturierten Daten sind das Bild darin.
Fazit: Schreib für den Menschen, strukturiere für die Maschine
Mein Experiment hat mir eines gezeigt: Der alte Konflikt zwischen ‚kreativem Content‘ und ‚technischem SEO‘ ist vorbei. Die Zukunft gehört denen, die beides beherrschen: eine brillante Geschichte zu erzählen und deren Fakten gleichzeitig in die Sprache der Maschinen zu übersetzen – die Sprache der Struktur.
Hör auf, nur Artikel zu schreiben. Fang an, Informationssysteme zu bauen. Denn wenn die Maschine dich nicht versteht, wird der Mensch dich bald gar nicht mehr finden.
