KI-generierte Lügen? Mein Notfallplan, wenn ChatGPT & Co. Falsches über deine Marke behaupten

KI-generierte Lügen? Mein Notfallplan, wenn ChatGPT & Co. Falsches über deine Marke behaupten

Ich erinnere mich noch genau an den Anruf. Ein langjähriger Kunde, CEO eines soliden Mittelständlers, war außer sich. „ChatGPT behauptet, unser Hauptprodukt hätte eine Sicherheitslücke, die seit drei Jahren behoben ist! Wo kommt dieser Unsinn her?“

Seine Frage war nicht nur berechtigt – sie war der Weckruf, den viele gerade erleben. Wir hatten jahrelang für Top-Rankings bei Google gesorgt, aber in der neuen Welt der KI-Antworten wurden wir plötzlich mit längst vergrabenen Falschinformationen konfrontiert.

Dieser Moment hat alles verändert. Er hat gezeigt, dass Sichtbarkeit in KI-Systemen nach völlig neuen Regeln spielt. Es geht nicht mehr nur darum, was auf deiner Website steht. Es geht darum, welche Informationen eine KI über dich im gesamten Netz findet, aggregiert und dann als unumstößliche Wahrheit präsentiert.

Und das Problem ist größer, als die meisten ahnen.

Der stille Einfluss: Warum KI-Reputation dein nächstes großes Problem wird

Wir leben in einer paradoxen Zeit. Eine Studie des Pew Research Center zeigt, dass 75 % der Menschen täglich mit KI interagieren – oft ohne es zu wissen. Gleichzeitig sind 37 % eher besorgt als begeistert von dieser Technologie.

Was bedeutet das für dich? Deine Zielgruppe wird von KI-Systemen beeinflusst. Systeme, denen sie zwar insgeheim misstraut, deren Wirken sie aber oft nicht einmal bemerkt.

Eine von einer KI generierte Zusammenfassung über deine Marke fühlt sich objektiv und endgültig an. Sie ist kein einzelner Suchtreffer, sondern eine verdichtete „Wahrheit“. Wenn diese „Wahrheit“ auf falschen Daten basiert, hast du ein massives Problem, das weit über einen schlechten Google-Review hinausgeht. Dein mühsam aufgebauter Ruf kann durch einen einzigen, schlecht informierten Algorithmus untergraben werden.

Warum KIs lügen (und es nicht einmal wissen)

Um das Problem zu lösen, müssen wir verstehen, warum es entsteht. Large Language Models (LLMs) wie GPT-4 oder Gemini sind keine Wahrheitsmaschinen. Sie sind Wahrscheinlichkeitsmaschinen. Sie wurden darauf trainiert, Muster in riesigen Textmengen zu erkennen und das plausibelste nächste Wort vorherzusagen.

Eine Untersuchung von NewsGuard hat das eindrücklich bewiesen: Konfrontiert mit 100 bekannten Falschnarrativen, reproduzierte GPT-4 in 98 Prozent der Fälle irreführende Informationen. Die KI lügt nicht bewusst; sie wiederholt einfach die Muster, die sie gelernt hat – egal, ob diese Muster auf Fakten oder Fiktion basieren.

Stell dir vor, eine KI soll deine Marke zusammenfassen. Sie durchkämmt das Netz und findet:

  • Ein paar veraltete Presseartikel von vor fünf Jahren.
  • Eine Handvoll negativer Kundenrezensionen auf einem obskuren Portal.
  • Einen fehlerhaften Wikipedia-Eintrag, den nie jemand korrigiert hat.
  • Deine eigene Website mit aktuellen, positiven Informationen.

Die KI gewichtet nicht unbedingt nach Wahrheit, sondern nach der Stärke und Häufigkeit der Signale. Aus diesem Wust an widersprüchlichen Informationen formt sie dann eine neue, scheinbar kohärente Aussage.

Das ist der Sprung von der alten in die neue Welt. Wo früher ein Kunde laut BrightLocal vielleicht zehn Reviews las, um sich eine Meinung zu bilden, liest er heute eine einzige von der KI erstellte Zusammenfassung, die diese Meinungen als Fakt darstellt. So wird ein einzelner negativer Eintrag von einer subjektiven Meinung zu einer vermeintlich objektiven Eigenschaft deiner Marke. Dein Problem hat sich damit potenziert.

Der Notfallplan: In 4 Schritten die Deutungshoheit zurückgewinnen

Panik hilft nicht. Systematisches Handeln schon. Wenn du feststellst, dass eine KI Falschaussagen über dich verbreitet, ist das kein technischer Fehler, den du melden kannst. Es ist ein Symptom für ein tieferliegendes Problem deiner digitalen Identität. Hier ist mein Framework, um die Kontrolle zurückzugewinnen.

Schritt 1: Audit der Quellen – Woher nimmt die KI ihre „Wahrheit“?

Die erste Frage lautet immer: Woher kommt die Falschinformation? KI-Systeme geben oft ihre Quellen an, aber nicht immer. Deine Aufgabe ist es, Detektiv zu spielen. Suche nach den exakten Formulierungen, die die KI verwendet. Meistens findest du die Ursache in:

  • Strukturierten Datenquellen: Wikipedia, Wikidata, Google Business Profile. Diese haben für KIs enormes Gewicht.
  • Einflussreichen Domains: Große Nachrichtenportale, Fachmagazine, anerkannte Branchenverzeichnisse.
  • Aggregierten Meinungen: Bewertungsplattformen, Foren, Social Media.
  • Digitalem Müll: Veraltete Pressemitteilungen, alte Versionen deiner Website im Internet Archive, schlecht gepflegte Profile.

Sobald du die Quelle(n) identifiziert hast, kannst du handeln. Es geht nicht darum, die KI zu korrigieren, sondern die Daten, mit denen sie gefüttert wird.

Schritt 2: Die Entität korrigieren – Wer bist du wirklich?

Eine Marke ist für eine KI kein Name, sondern eine Entität – ein klar definiertes Objekt mit Eigenschaften, Beziehungen und einer Geschichte. Was ist eine Entität und warum ist sie so wichtig? Weil KIs in Konzepten denken, nicht in Keywords. Wenn die Definition deiner Entität im Netz unklar oder widersprüchlich ist, füllt die KI die Lücken – oft mit falschen Informationen.

Deine Aufgabe ist es, diese Definition zu schärfen:

  • Korrigiere die Quellen: Aktualisiere den fehlerhaften Wikipedia-Eintrag. Beantworte die negativen Reviews. Sorge dafür, dass veraltete Pressemitteilungen als veraltet gekennzeichnet oder gelöscht werden.
  • Schaffe einen „Single Point of Truth“: Deine eigene Website muss die zentrale, verlässlichste Quelle über dich sein. Nutze strukturierte Daten (Schema.org), um der KI klar zu sagen: „Das hier ist die offizielle Information über unser Produkt, unser Team, unsere Geschichte.“

Schritt 3: Vertrauen aufbauen – Die richtigen Signale senden

Eine Korrektur allein reicht nicht. Du musst die falschen Informationen mit starken, positiven und vertrauenswürdigen Signalen überlagern. Das Ziel ist, ein so klares und konsistentes Bild deiner Marke zu schaffen, dass die KI gar nicht anders kann, als es zu übernehmen.

Baue einen maschinell lesbaren Wissensgraph über deine Marke auf. Das klingt technisch, bedeutet aber im Kern: Erschaffe ein Netz aus verknüpften, glaubwürdigen Informationen. Jeder Fachartikel, jede Fallstudie, jede positive Erwähnung in einem anerkannten Medium ist ein Knoten in diesem Netz. Diese systematische Arbeit ist die eigentliche Grundlage für echte KI-Sichtbarkeit. Du sendest damit klare Trust-Signale für KI-Systeme, die weit mehr wiegen als eine veraltete Falschmeldung.

Schritt 4: Systematisches Monitoring – Augen auf, was über dich gesagt wird

Das ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Du musst wissen, was KI-Systeme über dich, deine Produkte und deine wichtigsten Mitarbeiter sagen. Nutze Tools oder einfache, regelmäßige manuelle Abfragen bei ChatGPT, Perplexity, Gemini & Co. mit Prompts wie:

  • „Fasse die Marke [Dein Markenname] in 5 Sätzen zusammen.“
  • „Was sind die Nachteile des Produkts [Dein Produktname]?“
  • „Welche Kontroversen gibt es um das Unternehmen [Dein Unternehmen]?“

Nur wenn du das Narrativ kennst, kannst du es steuern.

FAQ – Deine ersten Fragen zum KI-Reputationsmanagement

Kann ich Google oder OpenAI direkt bitten, eine Falschaussage zu löschen?

Du kannst es versuchen, aber der Prozess ist oft langsam, bürokratisch und selten erfolgreich. Dein Hebel ist viel größer, wenn du die Quellen korrigierst, aus denen die KI ihre Informationen zieht. Repariere die Datenbasis, nicht das Ergebnis.

Ist das nicht dasselbe wie klassisches Online-Reputation-Management (ORM)?

Die Prinzipien sind ähnlich, aber der Mechanismus ist ein anderer. Beim klassischen ORM bekämpfst du einzelne negative Suchergebnisse oder Bewertungen. Beim KI-Reputationsmanagement hingegen bekämpfst du eine von einer Maschine erstellte, verdichtete „Wahrheit“, die eine ungleich höhere Autorität ausstrahlt. Der Schaden ist potenziell größer, und die Korrektur erfordert ein tieferes, technisches Verständnis für Entitäten und Datenstrukturen.

Wie fange ich am besten an, wenn ich noch gar nichts mache?

Beginne mit den Grundlagen. Überprüfe deine drei wichtigsten digitalen Eckpfeiler: deine Website, dein Google Business Profile und deinen Wikipedia-Eintrag (falls vorhanden). Sind alle Informationen dort zu 100 % korrekt, aktuell und konsistent? Das allein ist oft schon die halbe Miete.

Fazit: Deutungshoheit ist kein Zufall, sondern Architektur

Die Zeiten, in denen es reichte, auf der eigenen Website guten Content zu veröffentlichen, sind vorbei. In der Ära der KI-Systeme wird deine Marke zu dem, was das Netz über dich als Ganzes erzählt. Die Deutungshoheit über deine Marke zu behalten, ist somit kein Zufall mehr, sondern das Ergebnis einer bewussten digitalen Architektur.

Es geht darum, deine digitale Identität so klar, konsistent und vertrauenswürdig zu bauen, dass KI-Systeme keine andere Wahl haben, als die Wahrheit wiederzugeben – deine Wahrheit. Das ist keine reaktive Schadensbegrenzung. Das ist der proaktive Aufbau einer Marke, die für Maschinen und Menschen gleichermaßen lesbar ist.