Ich erinnere mich an einen Kunden, einen klassischen „Hidden Champion“ aus dem Maschinenbau. Weltmarktführer in seiner Nische, geniale Produkte, aber digital ein Geist.
Seine Website war im Grunde eine digitale Broschüre – ansprechend für Menschen, aber für eine KI so nützlich wie ein handgeschriebener Zettel in einem Datenzentrum.
Das Problem war nicht schlechtes Marketing. Es lag viel tiefer: Seine gesamte digitale Präsenz war für Maschinen unlesbar. Und das ist heute, im Zeitalter von KI-Antworten, ein Todesurteil für die Sichtbarkeit.
Viele Mittelständler, mit denen ich spreche, erleben genau das. Sie sehen, wie ihre Website-Besuche stagnieren oder sogar sinken, obwohl sie in der alten Google-Welt alles richtig machen. Das ist kein Zufall, sondern die „KI-Schere“: Die Sichtbarkeit in KI-generierten Antworten steigt, aber die Klicks auf die eigene Website brechen weg. Eine aktuelle Analyse von Omnius AI zeigt, dass dieser Effekt bereits jetzt zu Einbrüchen von 30–40 % bei den Klickraten führt.
Die alte Logik – Keywords, Rankings, Traffic – ist tot. Die neue Währung ist nicht der Klick, sondern die vertrauenswürdige Erwähnung direkt in der Antwort von ChatGPT, Perplexity oder den AI Overviews von Google. Die entscheidende Frage ist nicht mehr: „Wie ranke ich bei Google?“, sondern: „Wie werde ich zu einer zitierfähigen Quelle für eine Maschine?“
Die neue Spielregel: Von der Website zur maschinenlesbaren Entität
Bisher haben wir Websites für Menschen gebaut. Wir haben Texte geschrieben, Bilder eingefügt und auf ein ansprechendes Design geachtet. Das ist nach wie vor wichtig, aber es ist nur die halbe Miete. Denn eine KI liest keine Ästhetik, sie liest Daten und Fakten.
Stellen Sie sich Ihre Website wie eine Hochglanzbroschüre vor. Ein Mensch kann sie durchblättern und versteht sofort, worum es geht. Eine Maschine sieht nur eine unstrukturierte Ansammlung von Buchstaben. Was eine Maschine braucht, ist kein Prospekt, sondern eine perfekt organisierte Inventarliste Ihres Unternehmens: eine klare, eindeutige Datenstruktur, die keine Fragen offenlässt.
Genau hier scheitern die meisten. Laut einer IHK-Umfrage sind die größten Hürden für die Digitalisierung im Mittelstand Zeitmangel (63 %), Komplexität (58 %) und hohe Kosten (42 %). Viele haben das Gefühl, zum Programmierer werden zu müssen, um mithalten zu können. Das ist falsch.
Sie brauchen kein riesiges Budget oder eine eigene IT-Abteilung. Was Sie brauchen, ist ein System – eines, das die Kerninformationen Ihres Unternehmens in eine Sprache übersetzt, die Maschinen verstehen. Sie müssen von einer losen Sammlung von Inhalten zu einer klaren Entitäten-Architektur übergehen.
Das Mittelstands-Framework: Sichtbarkeit in Wissens-Silos bauen
Ich habe über die Jahre ein Framework entwickelt, das genau dieses Problem löst. Es ist keine Raketenwissenschaft, sondern ein logischer Prozess, um Ihr Unternehmen als unmissverständliche Entität im Netz zu etablieren. Ich nenne es das „Knowledge Silo“-Prinzip.
Ein Silo bündelt ein Kernthema Ihres Unternehmens (Wer wir sind, Was wir anbieten, Für wen wir arbeiten) und bereitet die Informationen darin so auf, dass sie für eine KI zweifelsfrei verständlich sind. Anstatt hunderte zusammenhanglose Blogartikel zu schreiben, bauen wir ein Fundament aus klar strukturierten, maschinenlesbare Inhalte, die sich gegenseitig stützen und Vertrauen schaffen.
Jeder Silo wird zur zentralen Wahrheitsquelle für ein bestimmtes Thema. KI-Systeme lieben solche Quellen, weil sie verlässlich und effizient sind. Schauen wir uns an, wie das in der Praxis funktioniert.
Ihr erster Silo: Die „Wer wir sind“-Entität
Beispiel: Ein mittelständischer Hersteller von Präzisionswerkzeugen aus Baden-Württemberg.
Problemstellung: Der Firmenname wird mal mit „GmbH“, mal ohne geschrieben. Auf der Website steht eine andere Telefonnummer als im Branchenbuch. Die Adresse in Google Maps ist veraltet. Für einen Menschen sind das Kleinigkeiten, für eine Maschine jedoch sind das drei verschiedene Unternehmen. Es fehlt die eine, verlässliche Identität.
Die Lösung:
Wir definieren eine kanonische „digitale Geburtsurkunde“, deren Herzstück die NAP-W-Formel ist (Name, Address, Phone, Website).
- Name: Präzisionswerkzeuge Müller GmbH (exakt dieser Wortlaut, immer).
- Address: Musterstraße 1, 70173 Stuttgart, Deutschland (inkl. Land).
- Phone: +49 711 123456 (im internationalen Format).
- Website: https://www.mueller-praezision.de/ (die kanonische URL).
Diese Kerndaten werden auf der „Über uns“-Seite und im Impressum mit Schema.org-Markup (speziell Organization) hinterlegt. Das ist wie ein digitales Etikett, das der Maschine sagt: „Achtung, die folgenden Informationen sind die offiziellen Stammdaten dieses Unternehmens.“ Zusätzlich verknüpfen wir die Profile des Unternehmens (LinkedIn, XING etc.) über sameAs-Einträge.
Ergebnis: Das Unternehmen ist nicht mehr nur ein Name, sondern eine eindeutige Entität. Fragt ein Nutzer „Hey Siri, finde einen Hersteller für Präzisionswerkzeuge in Stuttgart“, kann das System auf diese klaren, verifizierten Daten zurückgreifen. Die Wahrscheinlichkeit, als relevante Antwort genannt zu werden, steigt massiv.
Lerneffekt: Konsistenz ist die Grundlage für maschinelles Vertrauen. Ein einziges Mal sauber definiert, zahlt sich diese Struktur über Jahre auf allen Plattformen aus.
Ihr zweiter Silo: Die „Was wir anbieten“-Produkte
Beispiel: Ein B2B-Softwareanbieter für die Logistikbranche.
Problemstellung: Die Dienstleistungen werden auf der Website in langen Marketing-Texten beschrieben: „Unsere innovative, cloud-basierte Lösung optimiert Ihre Lieferkettenprozesse für maximale Effizienz.“ Ein Mensch versteht das. Eine Maschine aber fragt: Was genau tut sie? Für wen? In welcher Region? Die Informationen sind nicht vergleichbar und nicht abfragbar.
Die Lösung:
Wir hören auf, in Prosa zu denken, und fangen an, in Datenpunkten zu strukturieren. Jede Dienstleistung wird zu einem eigenen maschinenlesbare Inhalte mit klaren Attributen.
Wir zerlegen die Dienstleistung „Lagerverwaltungssoftware“ in ihre Eigenschaften, wieder mit Schema.org (diesmal Service):
- serviceType: Lagerverwaltungssoftware
- provider: Name des Softwareanbieters
- areaServed: DACH-Region
- audience: Mittelständische Logistikunternehmen
- serviceOutput: Bestandsoptimierung, Prozessautomatisierung
Ergebnis: Eine KI kann nun präzise Fragen beantworten wie: „Welche Software zur Bestandsoptimierung gibt es für Logistiker im DACH-Raum?“ Unser Beispielunternehmen wird zur perfekten Antwort, weil es seine Leistung nicht nur beschrieben, sondern als klare Datenpunkte definiert hat. Es ist jetzt nicht mehr nur ein Anbieter, sondern eine Lösung für eine konkrete, maschinell verstandene Anfrage.
Lerneffekt: Struktur schlägt Marketing-Prosa. Indem Sie Ihre Angebote in ihre logischen Bestandteile zerlegen, machen Sie sie für Empfehlungsmaschinen auffindbar und vergleichbar.
Ihr Aktionsplan für diese Woche: In 3 Schritten starten
Sie brauchen dafür weder eine Agentur noch neue Tools. Das Wichtigste ist, mit dem Aufbau Ihres zentralen Knowledge Graphs zu beginnen.
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Audit Ihrer Identität (30 Minuten): Googeln Sie Ihren eigenen Firmennamen. Notieren Sie alle Inkonsistenzen bei Name, Adresse und Telefonnummer, auf die Sie stoßen. Definieren Sie anschließend die eine, offizielle Version (Ihre NAP-W-Formel).
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Google Business Profile als Anker (15 Minuten): Ihr Google Unternehmensprofil ist eine der wichtigsten Datenquellen für KI-Systeme. Stellen Sie sicher, dass dort zu 100 % Ihre offiziellen NAP-W-Daten hinterlegt sind.
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Strukturieren Ihrer „Über uns“-Seite (60 Minuten): Nehmen Sie die definierten Stammdaten und sorgen Sie dafür, dass sie exakt so auf Ihrer Website stehen. Wenn Sie ein CMS wie WordPress nutzen, gibt es einfache Plugins (z. B. Rank Math, Yoast), die Ihnen helfen, diese Informationen als Schema-Markup zu hinterlegen, ohne eine Zeile Code zu schreiben.
Dieses Fundament ist der entscheidende Hebel. Es ist die Grundlage für jede weitere Form der KI-Sichtbarkeit. Anstatt blind Content zu produzieren, bauen Sie ein System, das Vertrauen bei den neuen Gatekeepern des Internets schafft. So werden Sie von einem unsichtbaren Anbieter zu einer verlässlichen, zitierfähigen Autorität.
Ihre wichtigsten Fragen, ehrlich beantwortet
Muss ich dafür programmieren können?
Nein. Das Konzept dahinter ist zwar technisch, die Umsetzung aber heute meist nicht mehr. Moderne CMS und SEO-Tools haben Funktionen, um strukturierte Daten per Klick oder Formular zu erstellen. Es geht darum, das Prinzip zu verstehen – nicht darum, selbst Code zu schreiben.
Ist das nicht einfach nur neues SEO?
Nein. Klassisches SEO optimiert für Rankings in einer Liste blauer Links. Bei der KI-Sichtbarkeit geht es darum, in einer direkten Antwort erwähnt zu werden. Das erfordert eine völlig andere Denkweise: weg von Keywords, hin zu Fakten und Beziehungen. Wir bauen keine Seiten mehr, wir modellieren Wissen.
Wie schnell sehe ich Ergebnisse?
Der Aufbau einer Entität ist keine Ad-hoc-Kampagne, sondern ein strategischer Prozess. Erste Verbesserungen bei der lokalen Suche (Google Maps, Sprachsuche) können schon nach wenigen Wochen sichtbar sein. Die Etablierung als vertrauenswürdige Quelle in großen Sprachmodellen ist ein Marathon, kein Sprint. Aber wer heute nicht damit anfängt, wird morgen schon nicht mehr gefunden.
