Der Maschinenlesbarkeits-Score: Wie wir messen, ob deine Marke für ChatGPT existiert

Ich erinnere mich genau an den Moment, als ein Kunde euphorisch anrief. „Wir sind auf Platz 1 bei Google für unseren wichtigsten Suchbegriff!“, sagte er. Gefeiert haben wir das aber nicht.

Denn als ich am selben Tag ChatGPT fragte, wer der führende Experte in diesem Bereich sei, wurde sein Unternehmen nicht einmal erwähnt. Stattdessen wurden drei Konkurrenten genannt – allesamt mit schlechteren Google-Rankings.

Für meinen Kunden war Google die Realität. Für die KI war er Luft.

Dieses Erlebnis war der Wendepunkt. Es machte mir schmerzhaft klar, dass traditionelle Metriken wie Rankings und Sichtbarkeitsindizes in der Ära der Empfehlungsmaschinen ihre Aussagekraft verlieren. Was nützt dir der beste Platz bei Google, wenn KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity oder Gemini deine Marke ignorieren und deine potenziellen Kunden direkt mit einer Antwort versorgen, in der du nicht vorkommst?

Wir hatten ein neues Problem: Unsichtbarkeit auf einer Ebene, für die es keine Metriken gab. Also haben wir eine gebaut.

Warum deine Marke für eine KI ein schwarzes Loch ist

Um das Problem zu verstehen, müssen wir eine fundamentale Fehleinschätzung aus dem Weg räumen: KI-Systeme googeln nicht. Wenn du ChatGPT eine Frage stellst, durchsucht es nicht in Echtzeit das Web, um die beste Antwort zu finden. Stattdessen greift es auf zwei primäre Quellen zurück:

  1. Den internen Wissensschatz: Das sind die gigantischen Datenmengen, mit denen das Modell trainiert wurde. Man kann es sich wie ein statisches, eingefrorenes Abbild des Internets zu einem bestimmten Zeitpunkt vorstellen. Wenn deine Marke in diesen Trainingsdaten nicht als relevante, vernetzte und glaubwürdige Wissenseinheit – als Entität – verankert ist, existierst du für die KI nur als zusammenhangloser Text.

  2. Retrieval-Augmented Generation (RAG): Für aktuellere Informationen kann die KI auf externe, vorab indizierte Vektordatenbanken zugreifen. Das ist aber kein freies Surfen, sondern ein gezielter Abruf von Informationsschnipseln, die bereits als besonders relevant und vertrauenswürdig eingestuft wurden.

Für die meisten Unternehmen bedeutet das: Ihr Content, ihre Expertise und ihre Marke sind für eine KI ein unlesbares Chaos. Sie haben keine klaren Konturen, keine maschinenlesbare Identität und keine nachweisbaren Vertrauenssignale. Sie sind ein schwarzes Loch, aus dem keine Information entweichen kann. Die alte SEO-Logik, die auf Keywords und Backlinks optimiert, ist für diese neue Welt blind.

Es geht nicht mehr um Rankings, sondern um Empfehlungen. Und um empfohlen zu werden, muss eine Maschine dich erst einmal verstehen.

Der Maschinenlesbarkeits-Score: Ein KPI für die KI-Ära

Um dieses Problem greifbar und vor allem messbar zu machen, haben wir unseren internen Maschinenlesbarkeits-Score entwickelt. Er ist ein Benchmark, der quantifiziert, wie gut eine KI die Identität, Expertise und Glaubwürdigkeit einer Marke interpretieren kann.

Der Score ist kein Hexenwerk, sondern basiert auf den drei Säulen, die für maschinelles Verständnis entscheidend sind:

  1. Entitäten-Klarheit (40 %): Wie eindeutig ist die Marke als Konzept definiert? Existiert sie in Wissensgraphen wie Wikidata? Gibt es eine klare digitale Identität mit konsistenten Attributen (Name, Gründungsdatum, Branche, Experten)?

  2. Struktur-Qualität (30 %): Wie gut sind die Inhalte mit strukturierten Daten (Schema.org) ausgezeichnet? Versteht eine Maschine, was ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Autor oder ein Unternehmen ist? Ist die semantische Architektur logisch und konsistent?

  3. Trust-Faktor (30 %): Wie stark ist die Marke im vertrauenswürdigen Web verankert? Wird sie von autoritativen Quellen zitiert? Gibt es Erwähnungen in Fachmedien, wissenschaftlichen Publikationen oder anerkannten Branchenverzeichnissen?

Das Ziel ist es, von einem Zustand der „semantischen Konfusion“ zu „maschineller Klarheit“ zu gelangen.

Ein Projekt aus der Praxis: Vorher vs. Nachher

Lass uns das an einem anonymisierten Kundenprojekt aus der B2B-Tech-Branche durchexerzieren. Zu Beginn unserer Zusammenarbeit war das Unternehmen ein klassischer Fall von „gutem SEO, aber schlechter Maschinenlesbarkeit“.

Analyse VOR der Optimierung:

Entitäten-Klarheit: 22/100. Das Unternehmen wurde oft mit gleichnamigen Firmen im Ausland verwechselt. Es gab keinen Wikidata-Eintrag und keine konsistente Verknüpfung zu seinen Gründern oder Schlüsselprodukten.

Struktur-Qualität: 15/100. Nur rudimentäres Organization Schema auf der Startseite. Die Dienstleistungen und Experten waren für Maschinen nicht als solche erkennbar.

Trust-Faktor: 45/100. Solide PR-Arbeit sorgte für einige Erwähnungen, aber diese waren selten mit der Unternehmens-Website oder anderen digitalen Assets verknüpft.

Gesamt-Score: 26/100

Das Ergebnis: In 9 von 10 Test-Abfragen in ChatGPT und Perplexity wurde das Unternehmen ignoriert, obwohl es für die entsprechenden Keywords bei Google auf der ersten Seite platziert war.

Wir haben daraufhin über drei Monate eine komplette semantische Architektur aufgebaut:

  1. Entitäten-Definition: Wir haben einen Knowledge Graph für das Unternehmen erstellt, einen Wikidata-Eintrag angelegt und alle digitalen Profile (LinkedIn, Crunchbase etc.) vereinheitlicht und miteinander verknüpft.

  2. Strukturierte Daten: Jede Dienstleistung, jeder Experte, jede Case Study und jeder Standort erhielt ein detailliertes Set an Schema-Markups. Wir haben der Maschine quasi einen Bauplan des Unternehmens gegeben.

  3. Trust-Signale konsolidieren: Wir haben bestehende Erwähnungen systematisch mit Verweisen auf die neu geschaffene Entität angereichert und eine Strategie entwickelt, um zukünftige Erwähnungen maschinenlesbar zu machen.

Analyse NACH der Optimierung:

Entitäten-Klarheit: 85/100

Struktur-Qualität: 92/100

Trust-Faktor: 78/100

Gesamt-Score: 86/100

Das eigentliche Ergebnis offenbarte sich aber nicht im Score, sondern in der KI.

Drei Wochen nach Abschluss der technischen Umsetzung wiederholten wir die exakt gleichen Abfragen. Und plötzlich war das Unternehmen nicht nur eine Randnotiz, sondern wurde als eine der führenden Firmen in seiner Nische zitiert – inklusive korrekter Verlinkung und Nennung der leitenden Experten.

Wir haben der Maschine beigebracht, wer unser Kunde ist. Und die Maschine hat gelernt, ihm zu vertrauen.

Was das für dich bedeutet

Messbarkeit ist der erste Schritt zur Kontrolle. Was du nicht misst, kannst du nicht verbessern. Der Maschinenlesbarkeits-Score ist für uns das, was der Sichtbarkeitsindex vor zehn Jahren war: ein Kompass, der uns zeigt, ob wir uns in der neuen Welt der KI-Sichtbarkeit richtig bewegen.

Es geht nicht mehr darum, Algorithmen mit Keywords auszutricksen. Es geht darum, eine so klare, logische und vertrauenswürdige digitale Identität aufzubauen, dass jede Maschine der Welt versteht, wer du bist, was du tust und warum du relevant bist.

Das ist kein Content-Marketing mehr. Das ist Systembau.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „maschinenlesbar“ überhaupt?

Maschinenlesbar bedeutet, dass Informationen so strukturiert sind, dass ein Computerprogramm sie ohne menschliche Interpretation verstehen, verarbeiten und kontextualisieren kann. Anstatt nur eine Ansammlung von Wörtern zu sehen (wie „Dr. Anna Schmidt ist CEO von Innovate AG“), erkennt eine Maschine dank strukturierter Daten eine Person (Person), ihre Rolle (jobTitle) und ihre Verbindung zu einer Organisation (Organization).

Reicht gutes SEO nicht mehr aus?

Gutes technisches SEO und hochwertiger Content sind weiterhin die Grundlage, reichen allein aber nicht mehr aus. Klassisches SEO zielt darauf ab, auf eine Suchanfrage hin als bestes Dokument gefunden zu werden. KI-Sichtbarkeit zielt darauf ab, als vertrauenswürdige Wissensquelle verstanden und in einer synthetisierten Antwort empfohlen zu werden. Das erfordert eine zusätzliche Ebene der semantischen Optimierung.

Ist das nur für große Marken relevant?

Nein, im Gegenteil. Gerade für Nischenanbieter, Spezialisten und mittelständische Unternehmen ist eine klare maschinelle Positionierung eine riesige Chance. Während große Marken oft mit einer diffusen und lauten digitalen Präsenz zu kämpfen haben, können kleinere Player ihre Expertise präzise definieren und sich in ihrem spezifischen Feld als die maßgebliche Entität für KI-Systeme etablieren.

Kann ich diesen Score selbst berechnen?

Die grundlegenden Prinzipien kannst du selbst überprüfen. Tools wie der Schema Markup Validator von Google geben dir einen Einblick in deine Struktur-Qualität. Eine Suche nach deiner Marke in Wikidata zeigt, ob eine grundlegende Entität existiert. Der vollständige Score ist jedoch ein proprietärer Prozess, der Dutzende Datenpunkte aus verschiedenen Quellen kombiniert und gewichtet, um ein präzises Bild zu zeichnen. Der Kern ist aber nicht das Tool, sondern die Denkweise dahinter.

In der Ära der KI genügt es nicht mehr, gefunden zu werden – es geht darum, verstanden zu werden. Deine Marke ist entweder eine klare, strukturierte Entität oder bloßes Rauschen in den Daten. Der Maschinenlesbarkeits-Score ist unser Weg, diesen Unterschied messbar zu machen.