Ich erinnere mich genau an das Projekt eines Kunden, dessen Blogartikel nach allen Regeln der Kunst optimiert war: Keyword-Dichte perfekt, WDF*IDF-Analyse im grünen Bereich, H-Tags sauber strukturiert, Lesbarkeit top. Bei Google rankte der Artikel für sein Hauptkeyword auf Seite eins – ein klassischer SEO-Erfolg.
Doch dann kam die Ernüchterung. Als wir ChatGPT, Perplexity und andere KI-Systeme zu genau diesem Thema befragten, tauchte der Artikel nirgends auf. Nicht als Quelle, nicht als Inspiration, nicht einmal als Randnotiz. Für die KI war er unsichtbar.
Dieser Moment war eine Zäsur. Er führte mir radikal vor Augen, dass wir seit Jahren für ein System optimieren, das in seiner alten Form nicht mehr existiert.
Wir polieren Texte für Leser, die immer häufiger keine Menschen, sondern Maschinen sind. Und diese Maschinen lesen nicht – sie parsen. Ein entscheidender Unterschied, der klassische On-Page-Optimierung ins Leere laufen lässt.
Das Missverständnis: Wie KIs wirklich ‚lesen‘
Wir neigen dazu, KI-Systeme zu vermenschlichen. Wir stellen uns vor, dass eine KI wie GPT-4, die laut dem Stanford HAI ‚AI Index Report 2023‘ auf Architekturen mit über 1,76 Billionen Parametern basiert, unseren Artikel Wort für Wort liest und seine Genialität erkennt.
Die Realität ist brutaler und technischer. Eine KI liest einen Text nicht, um ihn zu genießen, sondern zerlegt ihn in seine Einzelteile, um Daten zu extrahieren. Sie sucht nicht nach schönen Formulierungen, sondern nach eindeutigen Fakten, Beziehungen und Konzepten.
Für eine Maschine ist ein unstrukturierter Fließtext wie ein unordentlicher Raum voller Informationen ohne Etiketten. Darin die richtigen Dinge zu finden und korrekt zuzuordnen, ist mühsam und fehleranfällig.
Die alte On-Page-Optimierung konzentrierte sich darauf, diesen unordentlichen Raum für Suchmaschinen-Crawler ein wenig aufzuräumen, indem wir Keywords als Wegweiser platzierten. Das war gut gemeint, aber es ist, als würde man in einem chaotischen Lager nur ein paar Schilder aufhängen, während die eigentliche Arbeit – das Sortieren und Katalogisieren – der Maschine überlassen bleibt.
Und genau hier liegt das Problem: In der neuen Ära der KI-Sichtbarkeit sind die Systeme auf Effizienz getrimmt. Sie bevorzugen Informationen, die bereits perfekt sortiert und ausgezeichnet sind.
Von Text zu Daten: Die neue Sprache der Sichtbarkeit
Was das konkret bedeutet? Den Wechsel von der Optimierung von Wörtern zur Strukturierung von Wissen. Der entscheidende Hebel dafür sind strukturierte Daten, meist auf Basis des Vokabulars von Schema.org.
Stell dir vor, du schreibst über dein Unternehmen.
So sieht es als unstrukturierter Text aus:
‚Die Innovative Solutions GmbH, gegründet 2015 von CEO Max Mustermann, hat ihren Sitz in der Musterstraße 1 in 12345 Berlin. Wir bieten KI-Beratung an und unser Logo ist eine stilisierte Glühbirne.‘
Ein Mensch versteht das sofort. Eine Maschine muss raten:
- Ist ‚Max Mustermann‘ der Gründer oder nur ein Mitarbeiter?
- Ist ‚KI-Beratung‘ ein Produkt, eine Dienstleistung oder nur ein Schlagwort?
- Ist ‚Berlin‘ der Hauptsitz oder eine von vielen Niederlassungen?
So sieht es als strukturierte Daten (vereinfacht) aus:
- @type: Organization
- name: Innovative Solutions GmbH
- foundingDate: 2015
- founder:
- @type: Person
- name: Max Mustermann
- address:
- @type: PostalAddress
- streetAddress: Musterstraße 1
- addressLocality: Berlin
- serviceType: KI-Beratung
- logo: URL zum Logo
Das ist kein Text mehr, sondern eindeutige, maschinenlesbare Fakten, frei von Mehrdeutigkeit. Google selbst erklärt in seiner ‚Einführung zu strukturierten Daten‘, dass dies der Weg ist, um ‚Informationen über eine Seite bereitzustellen und den Seiteninhalt zu klassifizieren‘. Wir übersetzen unseren Inhalt in die Muttersprache der Maschine.
![Ein Schaubild, das den Unterschied zwischen einem unstrukturierten Blogtext und dem gleichen Inhalt als strukturierte Daten (Entitäten und Beziehungen) zeigt.]()
Dieser Ansatz verwandelt vage Keywords in klar definierte Entitäten. Eine Entität ist nicht nur ein Wort, sondern ein Konzept mit Eigenschaften und Beziehungen zu anderen Konzepten. Dein Unternehmen wird zu einer Entität, dein Produkt wird zu einer Entität, dein Gründer wird zu einer Entität.
Diese vernetzten Entitäten bilden deinen digitalen Knowledge Graph – die Summe des gesicherten, maschinenlesbaren Wissens über dich und deine Marke. Und genau diesen Knowledge Graph nutzen KIs, um Fragen zu beantworten.
Deine Marke als maschinenlesbare Identität
Wenn eine KI eine Anfrage wie ‚Welches Unternehmen in Berlin bietet KI-Beratung an und wurde von Max Mustermann gegründet?‘ erhält, durchsucht sie nicht Millionen von Blogartikeln. Sie fragt ihre Wissensdatenbank ab, die aus genau solchen strukturierten Daten gespeist wird.
Sind deine Informationen sauber als Entitäten hinterlegt, ist die Antwort einfach und deine Firma wird zur Quelle. Sind sie nur in einem Fließtext versteckt, bist du unsichtbar.
Das Ergebnis dieser Arbeit siehst du jeden Tag in den Google-Suchergebnissen. Das Knowledge Panel, das für bekannte Marken, Personen oder Orte erscheint, ist nichts anderes als die Visualisierung einer gut verstandenen Entität – der Beweis dafür, dass die Maschine verstanden hat, wer du bist, was du tust und in welcher Beziehung du zu anderen Dingen stehst.
![Ein Screenshot eines Knowledge Panels bei Google, der zeigt, wie Entitätsdaten zu einer klaren, maschinenlesbaren Identität zusammengefügt werden.]()
Diese maschinenlesbare Identität ist die neue Währung der Sichtbarkeit. Es geht nicht mehr darum, einen Text über ein Thema zu haben, sondern darum, für die Maschine die maßgebliche, vertrauenswürdige Quelle für die Entität selbst zu werden. Der Semrush-Report ‚State of Search 2023‘ bestätigt, dass das Verständnis von und die Optimierung für Entitäten die Zukunft der Suche sind: weg von reinen Strings, hin zu Konzepten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind strukturierte Daten überhaupt?
Strukturierte Daten sind ein standardisiertes Format, um Informationen auf deiner Website so zu kennzeichnen, dass Suchmaschinen sie besser verstehen. Das gängigste Vokabular ist Schema.org. Du fügst einen Code-Schnipsel (meist JSON-LD) zu deiner Seite hinzu, der den Inhalt für Maschinen ‚übersetzt‘.
Ist Keyword-Recherche jetzt tot?
Nein, aber ihre Rolle hat sich verändert. Keywords sind nicht mehr das Ziel, sondern der Ausgangspunkt. Sie helfen uns zu verstehen, welche Fragen und Probleme Nutzer haben. Die Antwort liefern wir aber nicht mehr durch Keyword-Stuffing, sondern indem wir die dahinterliegenden Konzepte (Entitäten) mit strukturierten Daten sauber definieren.
Wie fange ich an, meine Marke als Entität aufzubauen?
Beginne mit den Grundlagen: Definiere deine Organisation, deine Produkte, deine Dienstleistungen und die Schlüsselpersonen mit Schema.org-Markup auf deiner Website. Sorge dafür, dass diese Informationen auf allen wichtigen Plattformen (z. B. Google Business Profile, Wikidata, Branchenverzeichnisse) konsistent sind. Jeder konsistente Datenpunkt stärkt deine Entität.
Brauche ich dafür einen Entwickler?
Für die Implementierung von strukturierten Daten (Schema-Markup) sind technische Grundkenntnisse von Vorteil. Es gibt jedoch viele SEO-Tools und WordPress-Plugins, die dabei helfen, das Markup ohne tiefes Coding-Wissen zu generieren und einzubinden. Allerdings ist für den Aufbau einer komplexen Entitäten-Architektur technisches Know-how unerlässlich.
Fazit: Hör auf zu schreiben, fang an zu strukturieren
Jahrelang haben wir gelernt, Inhalte für Algorithmen zu schreiben, die versucht haben, wie Menschen zu lesen. Jetzt stehen wir vor einer neuen Generation von Algorithmen, die verlangen, dass wir wie Maschinen denken.
Die Zeit, in der man mit ein paar Keywords und gutem Text die Sichtbarkeit dominieren konnte, ist vorbei. Wer heute noch seine ganze Energie in die Optimierung von Keyword-Dichte und Textlänge investiert, poliert die Fassade eines Hauses, dessen Fundament bröckelt.
Die Zukunft gehört nicht den besten Textern, sondern den besten Architekten – jenen, die verstehen, dass Sichtbarkeit in der KI-Ära nicht durch Worte, sondern durch Daten entsteht. Hör auf, Texte für Maschinen zu polieren. Fang an, eine klare, strukturierte und maschinenlesbare Identität für deine Marke aufzubauen. Denn wenn eine KI nicht versteht, wer du bist, existierst du für sie nicht.
