Vom Backlink zum Brand Mention: Warum unlinked Mentions das neue Linkbuilding sind

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als mein Team fünfstellige Beträge pro Monat allein fürs Linkbuilding ausgab. Wir jagten Gastartikeln hinterher, verhandelten über Link-Platzierungen und feierten jeden neuen ‚DoFollow‘-Link wie einen Pokalsieg. Und heute? Heute investiere ich dieses Budget lieber, um meine Marke in einem einzigen, einflussreichen Branchenreport erwähnt zu bekommen – selbst wenn dabei kein klickbarer Link entsteht.

Viele halten das für verrückt. Für mich ist es die logische Konsequenz aus einer Welt, die nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen kuratiert wird. Wir optimieren immer noch für eine Logik aus den frühen 2000ern, während KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity und Googles Search Generative Experience (SGE) das Spielfeld längst komplett verändert haben.

Sie jagen noch Links. Die KI jagt Vertrauen. Und Vertrauen misst sich nicht in Hyperlinks, sondern in kontextuellen Erwähnungen.

Das Ende einer Ära: Warum der klassische Backlink an Bedeutung verliert

Um diesen fundamentalen Wandel zu verstehen, müssen wir einen kurzen Blick zurückwerfen. Googles Aufstieg basierte auf einer genialen Idee: dem PageRank-Algorithmus. Er interpretierte einen Link von Seite A zu Seite B als Empfehlung. Je mehr solcher ‚Stimmen‘ eine Seite erhielt, desto wichtiger schien sie zu sein – die Geburtsstunde von SEO, wie wir es kennen. Über ein Jahrzehnt lang war Linkbuilding die Königsdisziplin.

Doch diese Ära geht zu Ende, denn KI-Systeme und Large Language Models (LLMs) ‚klicken‘ keine Links. Sie durchsuchen, analysieren und synthetisieren gigantische Mengen an Textdaten, um Zusammenhänge, Autorität und Relevanz zu verstehen. Ein Link ist für eine Maschine nur ein Verweis von A nach B. Eine Erwähnung deiner Marke in einem relevanten Kontext ist viel mehr: ein Datenpunkt, der deine Identität und deinen Status bestätigt.

Stell dir vor, ein KI-Modell liest Tausende von Artikeln über E-Mobilität. Wenn deine Marke ‚FutureDrive‘ immer wieder in Artikeln von renommierten Tech-Magazinen neben Begriffen wie ‚innovative Batterietechnik‘ und ‚Marktführer‘ auftaucht, lernt die KI: FutureDrive = Autorität in der E-Mobilität.

Ob diese Erwähnungen verlinkt sind oder nicht, spielt für das Verständnis der Maschine nur eine Nebenrolle. Die reine Assoziation zählt.

Das bestätigt auch die Forschung. Eine Studie von Semrush zeigt zum Beispiel, dass Markenerwähnungen auf autoritativen Seiten stark mit einer verbesserten Sichtbarkeit korrelieren – unabhängig davon, ob ein Backlink vorhanden ist. KI-Systeme nutzen solche Signale, um zu entscheiden, welche Quellen sie in ihren Antworten zitieren. Ein Link ist eine Anweisung für den menschlichen Nutzer; eine Erwähnung ist ein Relevanzbeweis für die Maschine.

Brand Mentions: Die Währung in der Welt der KI

Eine ‚unlinked Brand Mention‘ ist genau das, wonach es klingt: die Nennung deines Markennamens, deines Produkts oder einer Schlüsselperson deines Unternehmens im Fließtext einer anderen Webseite, ohne dass ein Hyperlink auf deine Seite verweist.

Warum ist das so mächtig? Weil es ein viel ehrlicheres Signal ist. Link-Anfragen sind oft transaktional. Eine redaktionelle Erwähnung hingegen ist meist das Ergebnis echter Autorität, Relevanz oder eines Nachrichtenwertes. Jemand hat über dich gesprochen, weil du es wert bist – ein Goldstandard-Signal für jede KI, die darauf trainiert ist, Muster von Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu erkennen.

Jede Erwähnung trägt dazu bei, deine Marke als das zu etablieren, was im Zentrum der neuen Sichtbarkeit steht: eine Entität im Knowledge Graph.

  • Eine Erwähnung in der Süddeutschen Zeitung verknüpft deine Entität mit dem Attribut ’seriös‘ und ’nachrichtenrelevant‘.
  • Eine Nennung in einem führenden Branchen-Podcast verbindet dich mit ‚Expertise‘ und ‚Thought Leadership‘.
  • Eine Diskussion über dein Produkt auf Reddit assoziiert dich mit ‚Nutzererfahrung‘ und ‚Community-Feedback‘.

Die KI sammelt diese Erwähnungen wie Puzzleteile und baut daraus ein umfassendes Bild deiner Marke. Je öfter und in je glaubwürdigeren Kontexten du erwähnt wirst, desto stärker und vertrauenswürdiger wird deine digitale Identität. Du bist nicht mehr nur eine URL, die auf Links hofft, sondern eine anerkannte Autorität im digitalen Raum.

Wie du deine Strategie von Linkbuilding auf ‚Mention Building‘ umstellst

Die gute Nachricht: Du musst keine zwielichtigen Link-Broker mehr bezahlen. Die schlechte: Du musst dir deine Erwähnungen durch echten Wert verdienen. Es geht nicht mehr darum zu fragen: ‚Kannst du einen Link einfügen?‘, sondern die Antwort auf die Frage zu liefern: ‚Warum solltest du über uns sprechen?‘

Eine moderne ‚Mention Building‘-Strategie ruht auf vier Säulen:

  1. Schaffe originäre Daten und Erkenntnisse: Führe eigene Studien durch, veröffentliche Branchenreports oder erstelle einzigartige Datensätze. Journalisten und Blogger greifen gerne auf exklusive Daten zurück und werden deine Marke als Quelle nennen. Das ist der direkteste Weg zur Markenrelevanz in der KI-Ära.

  2. Positioniere dich als Experte: Biete dich und deine Führungskräfte als Quellen für Zitate und Interviews an. Baue Beziehungen zu Journalisten in deiner Nische auf. Jedes Zitat in einem Artikel ist eine wertvolle, kontextbezogene Erwähnung.

  3. Denke wie eine PR-Agentur: Entwickle Storys mit Nachrichtenwert. Ein Produktlaunch ist keine Story. Aber die Lösung eines drängenden Kundenproblems durch dein Produkt kann eine sein. Gutes Storytelling führt organisch zu Erwähnungen.

  4. Investiere in digitale Erlebnisse: Erstelle Tools, Rechner oder interaktive Inhalte, die so nützlich sind, dass andere darüber berichten und sie als Referenzpunkt nutzen.

Der Kern dieser Strategie ist ein Paradigmenwechsel: weg von der Optimierung für den Algorithmus, hin zur Schaffung von Wert für den Menschen. Ironischerweise ist genau das der beste Weg, um die heutigen KI-Algorithmen zu beeindrucken.

FAQ: Deine Fragen zu Unlinked Mentions

Sind Backlinks jetzt komplett wertlos?

Nein, auf keinen Fall. Ein relevanter Backlink von einer autoritativen Seite ist immer noch ein starkes Signal und treibt zudem direkten Traffic. Er ist aber nicht mehr der alleinige heilige Gral. Unlinked Mentions sind eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar wichtigere Säule der KI-Sichtbarkeit, da sie die semantische Autorität deiner Marke aufbauen. Betrachte es als Portfolio: Du brauchst beides, aber die Gewichtung verschiebt sich klar in Richtung Mentions.

Wie kann ich unlinked Mentions tracken?

Es gibt verschiedene Tools wie Brand24, Mention oder Google Alerts, mit denen du das Web nach Nennungen deines Markennamens durchsuchen kannst. Das reine Tracking ist aber nur die halbe Miete. Wichtiger ist die Analyse: In welchem Kontext wirst du erwähnt? Welche Quellen sprechen über dich? Diese qualitativen Einblicke sind für deine Strategie entscheidend.

Was ist wichtiger: ein verlinkter Gastartikel auf einem mittelmäßigen Blog oder eine Erwähnung im Wall Street Journal ohne Link?

Ganz klar die Erwähnung im Wall Street Journal. Die Autorität und Reichweite dieser Quelle übertragen so viel Vertrauen auf deine Marke, wie es Hunderte mittelmäßiger Links niemals könnten. Maschinen verstehen den Unterschied zwischen einer globalen Autorität und einem Nischenblog sehr genau.

Gilt das auch für lokale Unternehmen?

Absolut. Für einen lokalen Handwerker ist eine Erwähnung in der Online-Zeitung vor Ort oder in einem einflussreichen Nachbarschaftsblog ein extrem starkes Signal für geografische Relevanz. Die KI lernt: ‚Dieses Unternehmen ist eine anerkannte Autorität in dieser Stadt für diese Dienstleistung.‘

Fazit: Baue eine Marke, keine Link-Sammlung

Wir stehen an einem Wendepunkt. Jahrelang haben wir versucht, Suchalgorithmen mit technischen Tricks zu überlisten. Heute haben wir es mit lernenden Systemen zu tun, die nicht mehr nur auf technische Signale, sondern auf semantische Reputation achten.

Der Fokus auf unlinked Brand Mentions ist deshalb mehr als nur eine neue Taktik. Es ist eine Rückbesinnung auf das, was Marketing im Kern sein sollte: eine Marke aufzubauen, die so relevant, vertrauenswürdig und wertvoll ist, dass Menschen – und damit auch Maschinen – ganz von selbst über sie sprechen.

Hör auf, Links zu jagen. Fang an, eine Marke aufzubauen, die es verdient, erwähnt zu werden. Das ist die einzige Optimierung, die in der Ära der KI-Empfehlungsmaschinen wirklich zukunftssicher ist.